Was für ein Jahr, was für verrückte Zeiten. Was für ein Labyrinth der Krisen ohne Kompass.
Dabei gäbe es mehr denn je zu tun, damit wir für unsere Kinder und für die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte, menschliche Welt behalten. Denn unsere Welt scheint aus den Fugen und bisherige Gewissheiten wackeln. Seit über 1000 Tagen tobt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Krieg in Nahost eskaliert, die Welt wird geostrategisch neu aufgestellt und dies nicht unbedingt nach den Prinzipien feministischer, geschweige denn wertegeleiteter Außenpolitik.
Im Schatten des weltwirtschaftlichen Konkurrenzkampfes zwischen Amerika und China, zwischen G7 und BRICS verlieren Europa und besonders Deutschland an Boden.
Die Klimakatastrophe nimmt immer drastischere Ausmaße an. Aber statt durch geeintes, faktenbasiertes, unideologisches Handeln der Staatengemeinschaft global voranzukommen, wird die Uhr zurückgedreht und die Spaltung wird immer tiefer.
Während die Wahlen in den USA „America First“ ein Comeback bescheren, zerbricht in Deutschland die als „Fortschrittskoalition“ für ein neues Gestaltungsjahrzehnt angetretene Ampelregierung an ihrer eigenen fundamentaloppositionsbedingten Kompromiss- und Handlungsunfähigkeit.
Wir scheinen unseren Kompass verloren zu haben und stehen vor Neuwahlen, die angesichts der zuletzt schon massiv erstarkten Ränder bei den Wahlen im Osten nun auch für den Bund keine einfache Regierungsbildung erwarten lassen.
Doch das war nicht immer so und es muss auch nicht so bleiben.
Gerade deshalb veranlasst mich die Liebe zu „meinem Deutschland“, hier einige Gedanken aus der Sicht eines ehemaligen, illegalen Einwanderers zu schildern und als Künstler einfach laut zu bleiben! https://youtu.be/Xq179GC9ahs?si=9c7Ixebk0wi1hjlD
Es war 1975, als ich mit 22 Jahren, gemeinsam mit zwei Künstlerfreunden, trotz Schießbefehl die Flucht durch den Karawankentunnel in den Westen wagte. Wir wollten die dysfunktionale, russisch besetzte, militante Gesellschaft in Ungarn, die nur eine „zugelassene“ und auch gleichwohl einzige, öffentlich vertretbare, sozialistische Einheits-Meinung kannte, hinter uns lassen und kamen schließlich nach Deutschland.
Für uns war es ein Paradies. Deutschland.
Ein Land, das verliebt war ins Gelingen!
Es gab nicht nur Fahrpläne, sondern sie wurden auch präzise eingehalten.
Ich stellte meinen Asylantrag und schon kurz danach konnte ich auf Vermittlung des arbeitsamt-eigenen Künstlerdienstes im Schwäbischen Landestheater als Musiker spielen. Zwischen illegaler Einwanderung über die grüne Grenze, Asylantragstellung und dieser ersten Teilhabe an gesellschaftlicher Wertschöpfung und der Chance auf Selbstbestimmung lagen nur wenige Wochen. Für mich war das wie der Startschuss in ein neues Leben. Nichts motiviert und integriert Menschen mehr, als mitzumachen, mitzuarbeiten, mitzugestalten und dadurch Teil der Gesellschaft zu sein.
Ich bin gerade aus eigener Erfahrung überzeugt, Integration ist eine Bringschuld der Eingewanderten.
Da ich damals kein Wort Deutsch sprach, machte ich mich als erstes daran, in jeder spielfreien Minute Deutsch zu lernen. In der Mitte meines Tisches hatte ich dafür ein großes Wörterbuch, rechts davon die Frankfurter Allgemeine Zeitung und links die Süddeutsche. Beide Zeitungen waren damals ausschließlich hinsichtlich Wetterbericht und Fernsehprogramm einer Meinung. Zu allen anderen Themen, vertraten sie eine kontroverse Sicht der Dinge. Damals war die journalistische Trennung zwischen Fakten und Meinungen noch ganz klar. Im Gegensatz zum heutigen hybriden Journalismus, wo sich oftmals scheinbare Fakten finden, die tatsächlich eher Meinungen sind.
Ich jedenfalls feierte diesen wunderbaren Pluralismus, der im krassen Gegensatz zum russisch-besetzten Ungarn stand, wo die Zensur schon fast überflüssig war, weil jeder Journalist ohnehin nur noch ein und denselben Mainstream schrieb, der den Vorgaben des Einparteiensystems entsprach.
Hier in Deutschland war es für mich damals, Mitte der 70er Jahre, eine wunderbare Erfahrung, kontroverse politische Diskussionen mit unterschiedlichen Ansichten zu führen. Da war man nicht „verfeindet“, weil man völlig konträrer Meinung war, sondern man war halt schlicht nicht derselben Ansicht.
Diese intensiven Gespräche und der Austausch von Argumenten führten zu Erkenntnisgewinn und förderten gegenseitiges Verständnis.
Das war anders als heute, und ganz zu schweigen von Social Media Hate Speech, worüber ich den Song „Devil’s Encyclopedia“ schrieb.
https://youtu.be/SkNHazqgmxQ?si=9fjVsiSjSGpO-6Pw
Ich verliebte mich damals in diese deutsche Friedfertigkeit, den Pazifismus, nahm begeistert an Ostermärschen teil und war später glücklich über die pazifistische DNA der Grünen.
Meine Hymne war „Wozu sind Kriege da“ von meinem Soulmate Udo Lindenberg, dessen „Bunte Republik Deutschland“ zu meiner Heimat wurde, wo ich tiefe Wurzeln schlagen konnte, weil ich endlich die Freiheit hatte, mein Leben selbst zu gestalten.
In diesem pazifistischen und pluralistischen Land, das eben verliebt war ins Gelingen.
Dabei gab es auch in der Vergangenheit schwere Krisen. Die Öl-Krise, die deutsche Teilung, Terrorismus, der Kalte Krieg, atomare Aufrüstung, aggressive sowjetische Diktatur, steigende Arbeitslosigkeit und viele mehr.
Wie konnte das erfolgreich gemeistert werden?
Der Diskurs über die Zukunft des Landes und die Art ihrer Gestaltung fand in der Mitte der Gesellschaft statt, geführt von Persönlichkeiten, die den Mut hatten, visionäre Entscheidungen zu treffen und diese mittels stabiler Mehrheiten, aber auch mal gegen Widerstände, durchzusetzen. Dazu zählen etwa Willy Brandts Entspannungspolitik, Helmut Schmidt mit Doppelbeschluss von Diplomatie und Nachrüstung, oder Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, der auch die Mentalitäten des Ostens bestens kannte, mit der Wiedervereinigung sowie später Gerhard Schröder mit Agenda 2010 und dem Nichteintritt in den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg.
Was zeichnet gute, erfolgreiche Politik aus?
Das Gespür für die Lebensrealität der Menschen, für die großen (Zukunfts-)Themen und Ängste, die die Menschen bewegen. Künftige Bedarfe erkennen und dafür visionäre und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln, die entsprechenden Weichen zu stellen und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, das sind die Aufgaben der Politik.
Wer seine Politik an Demoskopie und Lobbyismus ausrichtet, wird immer nur reagieren, niemals gestalten und letztlich den Entwicklungen hinterherlaufen. Dieser Weg scheint selbst in der Retrospektive für Frau Dr. Merkel noch attraktiv, wie jetzt zu lesen ist, aber es ist nicht alternativlos. So wird man von Krisen und Konkurrenten im globalen Geschehen überrollt. Es braucht stattdessen Visionen, eine klare Strategie und den Mut, diese auch gegen Widerstände umzusetzen, damit Entwicklungen in die gewünschte Richtung gesteuert werden, um grundlegend etwas zum Besseren zu verändern.
Dazu muss die Politik aber auch entscheidungsfähig sein. Künftig wird es immer wichtiger werden, gut zu kommunizieren, um die Menschen mitzunehmen und zu überzeugen. Auch weil die sozialen Medien Echokammern und Filterblasen erzeugen. Voraussetzung dafür ist in jedem Fall der breite und kontroverse Diskurs in der Mitte der Gesellschaft. Ein Diskurs der Andersdenkende nicht ausgrenzt, oder an die Ränder drängt, sondern ernstnimmt und einbezieht. Gerade im Hinblick auf künftige Mehrparteien-Konstellationen wird die Bereitschaft zum Kompromiss eine wesentliche Grundlage für Handlungsfähigkeit sein.
Auch die US-Präsidentschaftswahlen liefern uns Erkenntnisse, die wir im Hinblick auf die Bundestagswahl nicht ignorieren dürfen.
In den USA standen zwei Kandidaten zur Wahl, die unterschiedlicher nicht sein konnten.
Allein schon bei der Betrachtung der Biographie von Kamala Harris konnte viel Sympathie empfunden werden, vor allem auch durch ihre kosmopolitische, urbane, akademische Haltung und ihre Beschreibung einer fortschrittlichen liberalen Welt.
Wie es in einem unserer Songs auf dem Album A Memory Of Our Future heisst: Freedom is ringing, freedom is singing, but our compass is lost, directions crossed in these trying times, truth is hard to find, blind to the reason and the freedom of a free mind – diese Verse aus unserem Song “Blood In The Water” kommen mir immer und immer wieder in den Sinn in diesen Tagen https://youtu.be/Oe6qKO28QEw
Auf der anderen Seite stand mit Donald Trump ein ehemaliger US-Präsident, der während der Pandemie problemlos vorgeschlagen hatte, dass man sich einfach Desinfektionsmittel spritzen sollte oder nun im Wahlkampf Migranten als „Kriminelle“ bezeichnete, die „Haustiere der Amerikaner“ essen.
Auch wenn es uns künstlerimmanenten Freidenkern sehr makaber vorkam, als Donald Trump im McDonald‘s oder als Müllmann auftauchte, ganz oft durch verzerrende Massenverbreitung in den sozialen Medien, die diese Echokammern erzeugen, so haben diese Bilder in all den Filterblasen verfangen.
Die Menschen in Amerika spüren, dass alles teurer wird und sie sorgen sich um ihre Arbeitsplätze, und zwar flächendeckend, nicht nur im Rust Belt. Gerade bei der Arbeiterschaft, früher eher demokratisch in Mitte-Links verortet, kommen Trumps Versprechungen wie America-First und dass er die heimische Wirtschaft stärken und die Preise senken würde, ganz offensichtlich gut an. Ja, die Menschen scheinen es tatsächlich so zu empfinden, dass er sich um ihre Anliegen kümmern würde. Ganz egal, ob Wahrheit oder nicht, Fakt oder Fake, diese markigen Aussagen verfangen bei den Menschen.
Umgekehrt blieb bei den Menschen dann auch hängen, ob zu Recht oder zu Unrecht, dass Kamala Harris, die uns von der elitären Vogue-Titelseite anlächelte und von uns Künstlern unterstützt wurde, in einer urbanen kosmopolitischen akademischen Blase sitzend sich dann doch vielleicht nicht der Lebensrealitäten der Menschen angenommen hätte, illegale Massenmigration doch nicht kontrolliert und begrenzt hätte, sich vielleicht nicht wirklich um die Wirtschaft gekümmert hätte und womöglich keine Einsicht gezeigt hätte, dass uns die Lieferung von immer mehr Waffen in zweieinhalb Jahren mörderischen, zerstörerischen Krieges von Putin dem Frieden leider immer noch nicht näher gebracht haben.
Die Amerikaner sind kriegsmüde, wie damals am Ende des Vietnam oder Afghanistan Einsatzes.
Der deutliche Wahlerfolg zeigt, dass die Wähler ihre Entscheidung nach dem „subjektiven Empfinden“, ob sich eine Partei, ein Kandidat mit den Lebensrealitäten der Menschen beschäftigt hat, getroffen haben.
In Amerika wird nach der Wahl inzwischen ziemlich hart mit diversen Irrtümern aufgeräumt, und auch von New York Times bis CNN ergebnisoffen darüber nachgedacht, warum etliche afroamerikanische Communities oder ehemalige illegale Einwanderer, die sich inzwischen in den USA eine Existenz aufgebaut haben, oder viele Erstwähler für Donald Trump stimmten. Und warum zum Beispiel der „Taylor Swift-Effekt“, den alle amerikanischen wie deutschen Leitmedien von Washington Post bis Spiegel als wahlentscheidend empfanden, letztendlich nicht gezogen hat.
Die Wahrnehmung von Donald Trump hat sich auch in allen Umfragen nach den Wahlen stark verändert. Sogar 15 % der Demokraten entwickeln nach den Wahlen eine positive Meinung zu Trump. Somit hat Donald Trump, der gewählte Präsident, zurzeit eine höhere Zustimmungsrate als der amtierende Präsident Biden, auch als „Man of the year“ auf der Titelseite des renommierten Time Magazins.
Der unumstritten deutliche Vorsprung, mit dem diese Wahl gewonnen wurde, hat, auch wenn uns das Ergebnis womöglich nicht passt, einen Beweis erbracht. Man könnte diesen auch interpretieren als Sieg der medial nicht wahrgenommenen Mehrheit. Denn das möge doch unter uns Demokraten absoluter Konsens sein, dass die vornehmste Aufgabe der Demokratie ist, den Willen aller Wähler zu erfassen.
Und auch in der Retrospektive betrachtet: Der „gütige“ Präsident Joe Biden versprach zuerst, das Rechtsstaatsprinzip über private, persönliche Interessen zu stellen und hat nun, kurz vor Ende seiner Amtszeit, seinen Sohn Hunter doch noch begnadigt nach seiner Verurteilung und vor der Verkündung des Strafmaßes. Präsident Biden kommentierte anschließend seine eigene sehr problematische, weil dem Rechtsstaatsprinzip widersprechende Entscheidung mit den Worten: „Welcome To America“.
Aber, wie ist dieses Amerika, und welcher Erkenntnisgewinn bleibt für uns nach den Wahlen?
Wie sehen das die Amerikaner selbst?
Wer wird den Kompass finden, die Welt aus dem Labyrinth der Krisen herauszuführen?
In vielen Gesprächen, sei es mit amerikanischen Journalisten über unser neues Album, aber auch mit meinen Soulmates, die alle auf Kamala Harris Seite waren, stellten sich dann nach und nach jetzt doch immer wieder Fragen wie: Was ist mit der illegalen Migration?
Und wie kann dieser von dem russischen Angriff ausgelöste schreckliche Krieg, dieses sinnlose Sterben in der Ukraine beendet werden?
Was ist mit der Inflation?
Was ist mit der Wirtschaft?
Haben die Demokraten wie bei uns die SPD mit ihren Wokeness-Brillen die Lebensrealität der Arbeiterklasse nicht mehr so im Blickfeld?
Putins Angriffskrieg auf die Ukraine steht langsam, aber deutlich in einem anderen Licht in Amerika. Donald Trump sagt, dass es ganz, ganz oben auf seiner Agenda steht, dass er dieses sinnlose Sterben dort binnen 24 Stunden beendet. Wie Armin Laschet bei Karen Miosga zu Recht sagte, dass man bis zu den US-Wahlen, das Wort „verhandeln“ gar nicht in den Mund nehmen konnte, urplötzlich bewegt sich etwas, an allererster Stelle in Amerika, weil im Gegensatz zu Hofreiter (Grüne), Strack-Zimmermann (FDP), Kiesewetter (CDU) und Roth (SPD) es inzwischen in Amerika immer wenige öffentliche Befürworter gibt, die der Ansicht wären, dass man mit immer mehr und immer weiter reichenden Waffen zum Frieden käme. Dieser Aspekt spielt in den amerikanischen Familien, Freundeskreisen, allgemeiner Atmosphäre eine wesentlich größere Rolle als bei uns.
Es empfiehlt sich also, eher Maß zu halten und differenziert zu analysieren, was der Wahlsieg von Donald Trump eigentlich für uns in Europa und Deutschland wirklich bedeutet.
Was ist unser Erkenntnisgewinn?
Wir werden die Tatsachen akzeptieren müssen, dass in den kommenden Wahlen auch bei uns nicht über ein mittlerweile „gestriges“ Modell der politischen Einordnung zwischen Rechts und Links entschieden wird, sondern vielmehr über Grundsätzlicheres.
Haben die Menschen das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse, Sorgen und Ängste wahrgenommen und verstanden werden? Kümmert sich die Politik tatsächlich um die Lebensrealität der Mehrheit der Menschen?
Vor allem in Zeiten, in denen scheinbare, bisherige Gewissheiten wackeln, ist eines besonders wichtig: Gesunder Menschenverstand lässt sich nicht einfach durch kategorisch proklamierte Deutungshoheit ersetzen. Gerade wenn Gewissheiten wackeln, sind Menschen natürlich verunsichert, gewissermaßen ohne Kompass. Wichtig ist in dieser Situation, wahrgenommen und gehört zu werden, sich verstanden und ernst genommen zu fühlen. Dann sind die Menschen auch bereit, für ein gemeinsames Ziel an einem Strang zu ziehen und dafür selbst Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Und die werden notwendig sein, wenn wir uns für die Zukunft aufstellen wollen.
Für unsere gesellschaftliche Stabilität und soziale Resilienz ist es zwingend notwendig, die essenziellen Themen in der gesellschaftlichen Mitte kontrovers zu diskutieren, damit sich Fake und Hetze nicht ungehindert an den Rändern verbreiten können, um die Gesellschaft zu spalten.
Die Liste dieser Fragen, die unser Land und die Menschen bewegen ist schier endlos und herausfordernd wie seit Jahrzehnten nicht mehr:
Es geht um existenzielle Themen wie Krieg und Frieden, Klimawandel und Zerstörung durch verheerende Unwetter, Migration, industrieller Wandel und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, Inflation, oder die Fokussierung auf ein chancengerechtes Bildungssystem unabhängig von sozioökonomischer und soziokultureller Herkunft der Menschen. Wie gewährleisten wir bezahlbares Wohnen, Arbeitsplatzsicherheit, Sicherung des Lebensstandards sowie funktionierende Gesundheits-, Pflege- und Altersversorgung, soziale Absicherung und natürlich Sicherheit und Frieden in Freiheit.
Es geht um die Lebensrealität, um die Sorgen, Ängste und Zukunftsentscheidungen der Menschen in unserem Land.
Viel zu lang war die demokratische Mitte aus CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP einer Meinung darüber, bestimmte „Tabuthemen“ nicht kontrovers zu diskutieren. Allzu schnell entwickelt sich daraus eine Mainstream-Attitüde, die Andersdenkende ausgrenzt. Doch gerade bei so komplexen Themen wie der unkontrollierten und unbegrenzten Migration oder der Frage, ob man dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nur mit militärischer Unterstützung oder vor allem durch Diplomatie begegnen soll, gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Wer hier statt der Lieferung immer mehr und weitreichenderer Waffen laut für Frieden, Waffenstillstand und Verhandlungen eintrat, wurde nur allzu schnell zum „Putin-Versteher“ gelabelt und ausgegrenzt. Doch diese gefühlte „Arroganz des Alternativlosen“ lässt viele Menschen „unverstanden“ und „ungehört“ zurück und drängt sie schließlich an die Ränder, in deren Blasen sich dann allerlei Absonderlichkeiten unwidersprochen aufheizen können.
Dabei ist es nur verständlich, wenn die Menschen Angst vor einer Eskalation des Krieges in unserer östlichen Nachbarschaft in Europa haben. Hier wackeln die Gewissheiten von Frieden und Freiheit, die unser Leben in den vergangenen Jahrzehnten geprägt haben.
Zu diesen Gewissheiten gehörte auch eine deutsche Außenpolitik, in der Deutschland wie z.B. mit Hans-Dietrich Genscher bescheiden auftrat, den Ausgleich und das Verbindende suchte. Eine Außenpolitik, die versucht, Brücken wieder aufzubauen, wo nicht einmal mehr die früheren Brückenpfeiler zu sehen sind und das Unmögliche zu wagen. So war das auch mit dem Ende des kalten Krieges und der Wiedervereinigung, die Viele für unmöglich hielten.
Heute sehen wir durch unsere Außenministerin Baerbock eine wertegeleitete Außenpolitik, weniger bescheiden als zuvor, dafür hin und wieder mit erhobenem Zeigefinger. Aber wenn wir Eurofighter an Saudi-Arabien liefern, wird dann auch über die dortigen Frauenrechte nachgedacht? Niemals sollten wir unseren Gegnern die Möglichkeit bieten, uns Doppelstandards und Doppelmoral zu unterstellen.
Oder bedeutet wertegeleitete Außenpolitik etwa nicht, die Gemeinsamkeiten, das Verbindende zu suchen und nicht das Trennende? Für mich bedeutet sie allerdings auch, dass man an die Opfer denkt.
Ist es wirklich so schwer nachvollziehbar, dass man nach zweieinhalb Jahren schrecklichem Krieg, durch den so viele Menschen gestorben sind, so vieles zerstört worden ist, die Frage stellt, wie wir ohne weitere Eskalation einem Frieden näherkommen können?
Während Agnes Strack-Zimmermann jeden, der solche Gedanken vorträgt, gleich als Putin-Versteher in Moskaus Kolonne verortet, sind weite Teile von SPD, CDU/CSU, FDP und Grünen der einhelligen Meinung, dass man der Ukraine nun unbedingt den Taurus an die Hand geben müsse, der von der Flugabwehr unbemerkt Moskau erreichen kann. Denn schließlich ist die Ukraine doch ein verlässlicher Partner. Zuverlässig genug, um ihnen eine so gefährliche Waffe zu liefern, die wirklich einen Weltbrand auslösen könnte? Haben wir vergessen, wer die zurecht umstrittene aber dennoch zur kritischen deutschen Infrastruktur gehörende Nordstream-Pipeline gesprengt hat?
Das freudige Kriegsgeschrei, als die ukrainische Armee mit „deutschen“ Panzern im Bereich von Kursk in Russland vorrückten, widerspricht einfach der deutschen Nachkriegsethik. Viele, wie ich, sind sozialisiert mit der Grünen pazifistischen DNA und unsere Hymnen waren neben Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“ auch Peter Maffays Anti-Kriegs-Song „Eiszeit“ oder Sting’s „The Russians Love Their Children Too“. Mit den Soulmates singen wir bei unseren Konzerten überall auf der Welt nach der letzten Zugabe John Lennon‘s Friedenshymne „Imagine“, und überall singen die Menschen mit.
Wir sind doch deshalb noch lange keine Putin-Freunde, sondern ganz genau das Gegenteil!
Wir sehen Krieg einfach nicht als Mittel einer humanistischen, wertegeleiteten, politischen Gestaltung.
Es ist auch mitnichten Pro-Russisch, wenn man feststellt, dass unsere Sanktionen bis jetzt nicht das bewirkt haben, was sich unsere Politiker davon versprachen und Putin eben keineswegs isoliert ist. Er strahlt uns bei allen möglichen Gelegenheiten entgegen, wenn er gemeinsam mit den Machthabern bedeutender Staaten und wachsender Volkswirtschaften, der ehemaligen „Schwellenländer“ wie China, Indien, Südafrika, Indonesien und Brasilien den Block der BRICS-Staaten bildet, gegenüber der amerikanischen Hegemonie. Weitere Länder sind in diesem Jahr als „BRICS plus“ noch hinzugekommen und selbst Saudi-Arabien erwägt einen Beitritt.
Vielleicht geht es hier eben nicht ausschließlich um die Frage von Kriegstüchtigkeit oder Friedfertigkeit. Vielleicht ist wie so oft in der Diplomatie nicht nur schwarz-weiss-Denken, sondern doch eine Art „Doppelbeschluss-Strategie“ von Helmut Schmidt als historisches Vorbild die Lösung.
Aber wie damals, so muss auch heute über diese Fragen in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert und gestritten werden dürfen, ohne Leute mit anderer Meinung auszugrenzen, denn damit stärken wir nur die Ränder. Wenn die Menschen subjektiv das Empfinden haben, dass sie kein Gehör finden und ihre Meinung skandalisiert wird, dann fühlen sie sich in einen Bunker gedrängt und aus dieser Bunkermentalität entstand noch nie etwas Gutes.
Gewissheiten wackeln auch angesichts von Klimawandel und Paradigmenwechseln und in diesem Kontext stellt sich die Frage nach der Wettbewerbs- und Transformationsfähigkeit unserer Industrie.
Wie begegnen wir der Deindustrialisierung?
Fokussieren wir uns wieder mehr auf die Bildung als unseren einzigen nachwachsenden Rohstoff?
Können die akuten Strukturprobleme wegsubventioniert werden auf Kosten von kommenden Generationen, oder haben wir wirklich die Kraft, wieder einen substantiierten Fortschritt Richtung Zukunft zu wagen?
Darüber muss offen gestritten werden, denn es geht um die Arbeitsplätze und die Zukunft der Menschen. Es geht um den Wohlstand unseres Landes.
Auch das Thema „bezahlbares Wohnen“ ist ein wesentlicher Teil der Lebensrealität der Menschen. Wenn sich zwei systemrelevante Vollzeitbeschäftigte, beispielsweise eine Krankenschwester und ein Feuerwehrmann mitten in Frankfurt keine arbeitsplatznahe Wohnung für ihre Familie mit drei Kindern leisten können, dann ist das ein relevantes Problem, das angegangen werden muss. Die Menschen in solchen Berufen sind zweifelsfrei systemrelevant, im Gegensatz zu Spekulanten, also „Investment Bankern“. Gleichzeitig überlegen Bezieher von Bürgergeld, ob es sich überhaupt lohnt, zu arbeiten, wenn Miete und entsprechende Kosten ja ohnehin „vom Staat“ getragen werden.
Es ist eine Grundsatzfrage der sozialen Gerechtigkeit. Ist es sozial, gierigen Casinokapitalismus bei der Privatisierung von Gewinnen durch Sozialisierung von Verlusten zu subventionieren, oder dauerhaft Arbeitsunwillen sanktionslos zu unterstützen, oder täte man nicht besser daran, die finanzielle Situation wirklich systemrelevanter Berufsgruppen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Bildung und öffentlicher Ordnung nachhaltig zu verbessern.
Gewissheiten wackeln, wenn der Eindruck entsteht, dass sich die Politik mehr um den nicht-arbeitenden Teil der Bevölkerung kümmert als um die Arbeitenden. Wir erleben einen Mentalitäts-Shift von der sozialen Marktwirtschaft mit Fördern und Fordern, mit Leistungsbereitschaft für das individuelle Wohlergehen ebenso wie für die Solidargemeinschaft, hin zur Idee eines anstrengungslosen Wohlstands, in der Arbeit nicht mehr als sinnstiftender, bestätigender Teil des Lebens und der Selbstverwirklichung wahrgenommen wird, sondern nur noch als eine die Work-Life-Balance destabilisierende Last.
In diesen Kontext passt auch des Arbeitsministers letzter Wurf der telefonischen Krankmeldung, obwohl Deutschland im europäischen Vergleich der Krankheitstage ohnehin bereits trauriger Spitzenreiter ist. Und auf die Idee von Saskia Esken, Arbeitszeit zu reduzieren und damit die Lohnkosten zu erhöhen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Mehrarbeit erfordert, muss man auch erstmal kommen.
Vor diesem Hintergrund ist auch wiederum verständlich, dass sich immer mehr Beschäftigte Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.
Dabei gibt es gerade bei uns in Deutschland die sozialdemokratische Jahrhundertvision des Sozialstaates. Diese großartige Idee, allen Menschen unabhängig von ihrer sozioökonomischen und soziokulturellen Herkunft die gleichen Chancen zu bieten und denjenigen, die vor allem unverschuldet gestolpert sind, auf die Beine zu helfen, damit sie sich wieder als wertvoller Teil der Gesellschaft einbringen können.
Diese wunderbare Grundidee, war aber niemals gedacht als Vorstufe für bedingungsloses Grundeinkommen, soziale Hängematte oder Aufruf zum „Big Quit“ https://www.youtube.com/watch?v=T6W-t6bvGME
Denn ein solches Märchen vom anstrengungslosen Wohlstand ist schlicht nicht finanzierbar und es würde im Übrigen der Mehrheit der Menschen in unserem Land auch nicht gerecht. Schon gar nicht in Krisenzeiten, in denen die deutsche Wirtschaft nicht einfach von alleine gesunden wird.
Es wird von Vielen als Missstand empfunden, wenn sich Politiker allzu sehr um Minderheiten-Themen kümmern, während große gesellschaftlich relevante Fragen ungelöst bleiben. Wir werden uns künftig auch nur dann erfolgreich um für uns bedeutsame Minderheitsthemen kümmern können, wenn wir die grundsätzliche Zustimmung der Mehrheit für eine fortschrittliche Politik bekommen.
Natürlich wackeln die Gewissheiten, wenn man sich abgehängt und nicht gesehen fühlt. Es gibt viele kleine Orte, nicht nur im Osten, wo der Bus nicht mehr fährt, Züge sowieso nicht, und der letzte EDEKA zu macht, weil die gut ausgebildete Jugend schon längst ihr Lebensglück anderswo sucht.
Da fragt sich vielleicht der ein oder andere, warum es unseren Politikern so wichtig war, dass eine ganz kleine Minderheit des Landes jährlich problemlos ihr Geschlecht im Ausweis ändern können. Hätte es nicht einfach gereicht, alle nicht binären Lebensformen respektvoll und gleichberechtigt anzuerkennen und zu akzeptieren? Vielleicht führt die Berliner Wokeness-Brille tatsächlich zu einer Diskrepanz bei der Betrachtung der gegenwärtigen Probleme und Lebensrealitäten der Mehrheit der Menschen in diesem Land.
Und um genau diese Mehrheit geht es doch bei all diesen wichtigen Entscheidungen und Weichenstellungen für unsere Zukunft. Sie zu erreichen, mitzunehmen und zu überzeugen. Und vor allen Dingen, sie nicht zu enttäuschen.
Die Frage ist also – auch an mich selbst gerichtet, weil ich es mir ja auch in dieser urbanen, akademischen, kosmopolitischen Blase bequem gemacht habe -, beschäftigen wir uns hier und jetzt wirklich mit der tatsächlichen Lebensrealität der Mehrheit und der Zukunft unserer Gesellschaft? Eben „A Memory Of Our Future“ https://youtu.be/oFdvH_CcfQE?si=KbahTpOumoFfZ-6R.
Finden wir dafür den Kompass und die richtigen Antworten, die den Menschen das Gefühl geben, gehört und gesehen zu werden?
Lasst uns aus unseren Komfortzonen hinauswachsen!
Wenn unsere Zukunft in die Krise geraten ist, dann brauchen wir zukunftsbegabte Menschen, die bereit sind, das Risiko einzugehen und auch unsichtbare Chancen schlicht und einfach zu nutzen.
Wir sollten nicht die Lust auf Zuversicht verlieren, denn ohne diese Zuversicht gibt es kein erfülltes Leben.
Das ist ein bisschen wie in vielen meiner Songs und meiner eigenen Geschichte, in der durch die Flucht aus der Hoffnungslosigkeit aus einem winzigen Hoffnungsschimmer ein Panorama des Lebens, der Musik und der Kunst entstanden ist – bis heute, alles mit Hilfe von Freunden, Familie, Kollegen und natürlich meinen Soulmates.
A memory of my future, looking back at tomorrow, will we see what we’ve done? In a memory of our future, in a crescendo of aggression on burned bridges of succession, a memory of my future ist das Herzstück, der Kern unseres Albums, das sich mit bewegenden Zukunftsfragen beschäftigt.
Wir wollen den Menschen gerade in diesen krisengeschüttelten Zeiten Mut machen und musikalisch einen Kompass formulieren, der uns aus diesem Labyrinth der Krisen herausführt und wir möchten durch unsere Musik gerne wie mit einer Fackel den Weg bis ans Ende des dunklen Tunnels ausleuchten. https://youtu.be/oFdvH_CcfQE